Als ich vor einigen Jahren vermehrt mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu tun hatte, hat mich das ziemlich aufgewühlt. Ich habe mit starken Persönlichkeiten gesprochen, die sich fast alle wie Menschen zweiter Klasse fühlen: sie werden übersehen, übergangen, überhört.

Besonders einer ist mir in Erinnerung, der spontan auf die Bühne vor mehreren hundert Menschen gekommen ist, und dort weinend gesagt hat: „Warum verdienen wir immer noch so viel weniger als andere Menschen. Warum wird unsere Arbeit überhaupt nicht geschätzt?“ Großer Applaus im Saal.


Die Menschen mit denen ich gesprochen habe, wollten alle nur eins: eine aktives und selbstbestimmtes Mitglied in der Gesellschaft sein.

Es gibt nicht eine Art von Beeinträchtigungen, sondern viele Formen, und dadurch auch viele Formen der Kommunikation. Natürlich navigiert ein blinder Nutzer durch das Internet anders als jemand mit motorischen Einschränkungen. Menschen mit Leseschwächen brauchen mehr Zeit, um die Inhalte zu erfassen als ein Deutsch-Professor. Was letztlich zählt, ist nicht der Weg wie jeder einzelne Nutzer die Anwendung bedient, sondern die vermittelten Inhalte.


Der wichtigste Ansatz, damit Menschen mit Beeinträchtigungen vollumfänglich am digitalen Leben teilnehmen können, ist daher, die Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen und das Design und die Bedienung darauf aufzubauen.

Ein Überblick dazu:

Textausgabe

Jemand der nichts oder kaum etwas sieht, kann nur die Text- und Toninformationen einer Webseite erfassen. Da er die Texte nicht sehen kann, nutzt er/sie ein Hilfsmittel, den Screenreader. Dieser sorgt dafür, dass die Texte richtig vorgelesen werden, oder dass er/sie diese mit der sogenannten Braillezeile ertasten kann.
Alles was auf der Webseite wichtig ist, muss daher als Text vorhanden sein. Das funktioniert ganz einfach, indem man zum Beispiel Tabellen im Hintergrund so aufbereitet, dass der Screenreader etwas Sinnvolles vorlesen kann, oder indem man dem Screenreader eine Beschreibung für Bilder liefert, und so weiter.

Gliederung der Seite

Da ein Screenreader-Benutzer die Texte nur nacheinander erhalten kann, braucht er sinnvolle Anhaltspunkte, um sich auf der Seite orientieren zu können. Gleichzeitig ist dies auch eine große Hilfe für unerfahrene Benutzer, oder solche, die es eilig haben. Doch auch „normale“ Nutzer werden die Seite schließen, wenn sie nicht finden, was sie suchen Wichtige Anhaltspunkte sind unter anderem eine verständliche Navigation sowie gut lesbare Überschriften.


Übrigens – auch auf mobilen Telefonen ist der Platz begrenzt und man kann die Seite nur stückchenweise sehen. Die Anforderungen von Screenreader– und Mobiltelefon-Nutzern sind also ähnlich.

Tastatursteuerung


Beim Ausfüllen einzelner Felder eines Formulars ist man mit der Tastatur meist schneller als mit der Maus. Wenn ein Formular schlecht programmiert ist, heißt es trotzdem, das Formularfeld mit der Maus anklicken, zur Tastatur wechseln, um den Text einzutragen, dann wieder die Maus nehmen, und so weiter. Viele empfinden das als lästig und werden ärgerlich.


Es gibt jedoch eine Gruppe von Menschen, für die eine gute Tastaturbedienung sogar notwendig ist: Blinde Menschen aber auch sehr viele, die mit der Feinmotorik Schwierigkeiten haben, mit der Maus genau den benötigten Bereich zu treffen. Alle diese Personen hätten Schwierigkeiten damit die Kontakt- oder Bestellformulare auszufüllen bzw. die Webseite überhaupt zu bedienen. Daher ist es besonders wichtig dafür zu sorgen, dass die gesamte Webseite mit der Tastatur bedient werden kann.

Kontraste


Kontraste sind in der visuellen Darstellung enorm hilfreich. Farbenblinde und sehbehinderte Menschen können die Inhalte schneller erfassen. Aber auch wenn die Sonne mal ganz hell scheint, ist es angenehm, noch die verschiedenen Inhalte am Display erkennen zu können.


Ein guter Kontrast ist mehr als einfach nur ein Farbkontrast. Auch unterschiedliche Größen, Formen und Positionierungen helfen dem Benutzer bei der Lesbarkeit, und können eine Webseite überdies optisch sehr interessant machen.

Verständliche Sprache


Natürlich sollte man es dem Benutzer auch sprachlich so einfach und verständlich wie möglich machen. Abgesehen von Menschen mit Sprachschwierigkeiten sind auch Menschen, die sich schlecht konzentrieren können oder stark hörbeeinträchtige Personen froh über einfach verständliche Texte. Und ganz ehrlich: Kaum jemand liest am Mobiltelefon lange, ausschweifende Texte.

Textabschrift


Stark hörbeeinträchtigte Menschen können mit reinen Audiodateien oder vertonten Videos im Internet wenig anfangen. Sie benötigen daher eine Abschrift oder eine detaillierte Audio-Beschreibung. Ganz besonders hilfreich ist es, wenn es zusätzlich noch ein Video in der Gebärdensprache gibt.


Abschriften sind auch für mobile Nutzer sehr praktisch, denn unterwegs ist es oft einfacher sich den Text durchzusehen als das ganze Video abzuspielen. Überdies können diese Abschriften auch von Suchmaschinen gelesen und verarbeitet werden.

Ablenkung


Wenn wir abgelenkt werden, lesen wir langsamer als gewöhnlich. Menschen, die sich ohnehin schwer konzentrieren können, sollten nicht zusätzlich abgelenkt werden. Eine barrierefreie Webseite verzichtet daher auf selbstlaufende Animationen, Videos oder Hintergrundmusik.

Zeit


Viele Menschen mit Behinderungen brauchen aus verschiedensten Gründen mehr Zeit, um eine Webseite bedienen oder ein Bestellformular ausfüllen zu können. Diese Zeit sollten sie auch bekommen.

Robuste Programmierung


Eine sauber und robust programmierte Webseite ist die Basis für jeden guten Webauftritt. Die Webseite kann dadurch auf völlig unterschiedlichen Geräten gelesen werden, funktioniert einwandfrei und zuverlässig. Zusätzliche technische Hilfsmittel wie Vergrößerungssysteme, Sprachausgabe-Anwendungen, alternative Tastaturen und vieles mehr können vom Benutzer beliebig eingesetzt werden.
Die Suchmaschinen können alle Inhalte der Webseite auslesen und bewerten und die Webseite wird in den Suchergebnissen entsprechend gelistet.

Weiterführende Informationen



Österreichische Regelungen: https://www.bmf.gv.at/themen/digitalisierung/Digitales-Oesterreich/Barrierefreies-Web—Internetzugang-f%C3%BCr-alle.html
zertifizierte Spezialisten und Spezialistinnen in Österreich: https://www.incite.at/de/expertinnen-mit-zertifikat/certified-webaccessibility-experts/

Sorgen wir für ein besseres Miteinander.

Marion