Als ich vor einigen Jahren vermehrt mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu tun hatte, hat mich das ziemlich aufgewühlt. Ich habe mit starken Persönlichkeiten gesprochen, die sich fast alle wie Menschen zweiter Klasse fühlen: sie werden übersehen, übergangen, überhört. Und sie hatten Recht.

Mittlerweile ist Barrierefreiheit in der Breite angekommen. Sogar die EU hat mit dem „European Accessibility Act“ (EAA) klare Regeln innerhalb der Mitgliedsstaaten geschaffen. Ab dem 28. Juni 2025 müssen digitale Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen in der EU barrierefrei sein. Weitere Infos dazu findest du in meinem Blog-Artikel „Von 2025 an Pflicht: EU setzt neue Maßstäbe für digitale Barrierefreiheit“.

In den folgenden Absätzen erläutere ich die Grundsätze, wie sich die wichtigsten Barrieren auf Webseiten vermeiden lassen. (Für PDFs, eBooks & Co. funktioniert das übrigens ähnlich. Details dazu erkläre ich in einem späteren Artikel.)

Auf die Inhalte kommt es an

Es gibt nicht eine Art von Beeinträchtigungen, sondern viele Formen, und dadurch auch viele Formen der Kommunikation. Natürlich navigiert ein:e blinde:r Nutzer:in durch das Internet anders als jemand mit motorischen Einschränkungen.

Menschen mit Leseschwächen brauchen mehr Zeit, um die Inhalte zu erfassen als ein Philosoph. Für Gehörlose ist es ohnehin schwierig, so etwas Abstraktes wie geschriebene Sprache zu verstehen; ihre Muttersprache ist die Gebärdensprache.

Doch was letztlich zählt, ist nicht der Weg wie jede:r einzelne Nutzer:in die Anwendung bedient, sondern die vermittelten Inhalte.

Der wichtigste Ansatz, damit Menschen mit Beeinträchtigungen vollumfänglich am digitalen Leben teilnehmen können, ist daher, die Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen und das Design und die Bedienung darauf aufzubauen.

Textausgabe

Jemand der nichts oder kaum etwas sieht, kann nur die Text- und Toninformationen einer Webseite erfassen. Da er die Texte nicht sehen kann, nutzt er/sie ein Hilfsmittel, den Screenreader. Dieser sorgt dafür, dass die Texte richtig vorgelesen werden, oder dass er/sie diese mit der sogenannten Braillezeile ertasten kann.

Alles was auf der Webseite wichtig ist, muss daher als Text vorhanden sein. Weitere Beispiele

Gliederung der Seite

Da ein:e Screenreader-Benutzer:in die Texte nur nacheinander erhalten kann, braucht er/sie sinnvolle Anhaltspunkte, um sich auf der Seite orientieren zu können.

Wichtige Anhaltspunkte sind unter anderem eine verständliche Navigation sowie gut lesbare Überschriften.

Übrigens – auch auf mobilen Telefonen ist der Platz begrenzt und man kann die Seite nur stückchenweise sehen. Die Anforderungen von Screenreader– und Mobiltelefon-Nutzern sind also ähnlich.

Besonders hilfreich sind auch Sprungmenüs, die meistens nur bei der Tastatur- oder Screenreader-Bedienung erscheinen. Diese bieten einen direkten Zugriff auf die wesentlichen Abschnitte. So erspart sich der/die Nutzerin ein mühsames und wiederholtes Durchqueren aller bereits bekannter Inhalte wie die gesamte Menüleiste.

Tastatursteuerung

Beim Ausfüllen einzelner Felder eines Formulars ist man mit der Tastatur meist schneller als mit der Maus. Wenn ein Formular schlecht programmiert ist, heißt es trotzdem, das Formularfeld mit der Maus anklicken, zur Tastatur wechseln, um den Text einzutragen, dann wieder die Maus nehmen, und so weiter. Ich empfinde das als ziemlich lästig und ärgerlich.

Es gibt jedoch Menschen, für die eine gut funktionierende Tastaturbedienung sogar absolut notwendig ist: Blinde Menschen die mit der Braillezeile arbeiten. Viele Menschen haben auch erhebliche Schwierigkeiten mit der Feinmotorik, was es ihnen schwer macht, mit der Maus genau den benötigten Bereich anzusteuern.

Daher ist es besonders wichtig dafür zu sorgen, dass die gesamte Webseite mit der Tastatur bedient werden kann. Das heißt, dass sämtliche Menüs, Links, aber auch Audio- und Videosteuerungen mit der Tastatur bedienbar sein müssen.

Auch wenn mittlerweile Sprachbedienung weit verbreitet ist oder Künstliche Intelligenz unterstützen kann, bleibt die Tastaturbedienung ein unverzichtbares Element für Barrierefreiheit. Sie ermöglicht Nutzer:innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, effizient und selbstbestimmt durch Webinhalte zu navigieren.

Kontraste

Kontraste sind in der visuellen Darstellung enorm hilfreich. Ganz wichtig sind starke Hell-/Dunkel-Kontraste. Farbenblinde und sehbehinderte Menschen können dadurch die Inhalte schneller erfassen. Aber auch wenn die Sonne mal direkt aufs Display scheint, ist es angenehm, noch die verschiedenen Inhalte erkennen zu können.

Ein guter Kontrast ist übrigens mehr als einfach nur ein Hell-/Dunkel-Kontrast. Unterschiedliche Farben, Größen, Formen und Positionierungen helfen den Benutzer:innen zusätzlich bei der Lesbarkeit, und können eine Webseite überdies optisch sehr interessant machen.

Verständliche Sprache

Die Sprache einer Webseite sollte im Sinne der Barrierefreiheit stets einfach gehalten werden, um allen Nutzer:innen eine verständliche Kommunikation zu ermöglichen. „Einfache“ Sprache zielt darauf ab, Inhalte klar und geradlinig zu vermitteln. Sie ist für ein breites Publikum geeignet.

Abgesehen von Menschen mit Sprachschwierigkeiten sind auch Menschen, die sich schlecht konzentrieren können oder hörbeeinträchtige Personen froh, über einfach verständliche Texte.

Es gibt auch noch das Konzept der „Leichten Sprache“. „Leichte Sprache“ ist stark vereinfacht. Sie folgt strengen Regeln und ist speziell für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Einschränkungen entwickelt worden. Leichte Sprache wird vorrangig in öffentlichen Bereichen verwendet.

Für hörbeeinträchtigte Menschen ist die Gebärdensprache oft die Muttersprache. Das Erlernen von Buchstaben und gesprochener Sprache ohne gutes Hörvermögen ist, gelinde gesagt, herausfordernd ist. Auch sie profitieren von „Leichter Sprache“.



Bitte klicke auf den unteren Link, dann erscheint ein schönes Formular.
Mit dem Laden des Inhalts akzeptierst du die Nutzungsbedingungen von GetResponse (mehr erfahren →).

Untertitel und Textabschrift

Stark hörbeeinträchtigte Menschen können mit reinen Audiodateien oder vertonten Videos im Internet wenig anfangen. Sie benötigen daher Untertitel bzw. eine Abschrift und optimalerweise eine detaillierte Audio-Beschreibung. Ganz besonders hilfreich ist es, wenn es zusätzlich noch ein Video in der Gebärdensprache gibt.

Abschriften sind auch für mobile Nutzer sehr praktisch, denn unterwegs ist es oft einfacher sich den Text durchzusehen als das ganze Video abzuspielen. Überdies können diese Abschriften auch von Suchmaschinen gelesen und verarbeitet werden.

Ich persönlich schaue mir Videos übrigens auch so gerne ohne Ton an. Vor allem Abends oder in der Früh genieße ich gerne die Stille. Dazu lese ich im Video einfach die Untertitel mit.

Ablenkung

Wenn wir abgelenkt werden, lesen wir langsamer als gewöhnlich. Im schlimmsten Fall können wir dem Wesentlichen nicht folgen.

Menschen, die sich ohnehin schwer konzentrieren können, sind davon noch stärker betroffen. Sie sollten nicht zusätzlich abgelenkt werden.

Eine barrierefreie Webseite verzichtet daher auf selbstlaufende Animationen, Videos oder Hintergrundmusik.

Zeit

Viele Menschen mit Behinderungen brauchen aus verschiedensten Gründen mehr Zeit, um eine Webseite bedienen, die Inhalte zu lesen oder ein Bestellformular ausfüllen zu können.

Diese Zeit sollten sie auch bekommen.

Hürden könnten ua. folgendes sein:

Robuste Programmierung

Eine sauber und robust programmierte Webseite ist die Basis für jeden guten Webauftritt. Die Webseite kann dadurch auf völlig unterschiedlichen Geräten gelesen werden, funktioniert einwandfrei und zuverlässig.

Zusätzliche technische Hilfsmittel wie Vergrößerungssysteme, Sprachausgabe-Anwendungen, alternative Tastaturen und vieles mehr können vom Benutzer beliebig eingesetzt werden.

Die Suchmaschinen können alle Inhalte der Webseite auslesen und bewerten und die Webseite wird in den Suchergebnissen entsprechend gelistet.

Weiterführende Informationen

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind ein international anerkannter Standard für die Barrierefreiheit von Webinhalten, der von der World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt wurde. Sie bieten Richtlinien, um Webseiten und Online-Technologien so zu gestalten, dass sie für Menschen mit verschiedenen Arten von Behinderungen zugänglich sind.

Hier findest du auf Englisch die aktuelle Version.

Österreichische Regelungen:

Zertifizierte Spezialisten und Spezialistinnen in Österreich: https://www.incite.at/de/expertinnen-mit-zertifikat/certified-webaccessibility-experts/ (Ich habe dieses Zertifikat von 2016 bis 2019 ebenfalls gehabt, es aber nicht mehr verlängert.)

Schreib mir gerne an office@margenta.at, wenn du weitere Unterstützung benötigst!