Heute räume ich mit ein paar Mythen auf, die mir immer wieder begegnen. Jeder der unten genannten Punkte zeigt, wie leicht es ist, sich in veralteten Ansichten zu verfangen und dabei die Bedeutung von inklusivem Design zu übersehen.

Vielleicht hast du nach diesem Artikel das ein oder andere Aha-Erlebnis. Denn barrierefreies Design ist kein „Nice-to-have“, sondern ein essenzieller Bestandteil unserer Gesellschaft.

„Gehörlose? Die brauchen doch nur Untertitel, dann ist alles gut.“

Fehlanzeige! Untertitel sind ein Anfang, noch besser ist die Verwendung von Transkripten und leichter Sprache. Und noch besser sind Gebärdensprachvideos.

Es ist ein Missverständnis, dass Menschen ohne Gehör einfach alles lesen können, da sie schließlich nicht blind sind.

Hast du schon mal erlebt, wie jemand der nichts oder kaum etwas hört, so etwas Abstraktes wie Buchstaben lernt? Kannst du dir vorstellen, eine Sprache wie Griechisch oder Arabisch zu lernen, ohne ein Wort davon richtig zu hören?

Mir kamen Tränen in die Augen, als ein junger Bursche mir gegenüber sich mit vollem Enthusiasmus bemüht hat, einzelne Buchstaben zu lesen und daraus Wörter zu formen. Spoiler: Es hört sich völlig anders an, als wir es gewöhnt sind.

„Unsere Buttons benutzen ist doch leicht – einfach zielen und treffen.“

Hier wird oft vergessen, dass nicht jede:r die gleiche motorische Kontrolle oder Bildschirmgröße hat.

Außerdem zielt dieser Satz ganz klar darauf ab, dass Menschen, die die Buttons nicht benutzen können, ohnehin ein bisschen blöd sind. Was in Folge zum Beispiel auch jede:n trifft, der/die sich mal den Arm bricht. Große, klar gekennzeichnete Buttons sind also ein Muss! Genauso auch, dass eine Webseite komplett mit der Tabulator-Taste bedienbar sein muss.

„Altmodische Standards sind nicht mehr notwendig im Zeitalter von AI und High-Tech.“

Technologischer Fortschritt bedeutet nicht, bewährte Standards über Bord zu werfen. Im Gegenteil, sie sind die Grundlage für Innovationen, die allen zugutekommen.

Und was hilft technologischer Fortschritt, wenn inklusives Design nicht berücksichtigt wird? HTML ist von Anfang an dafür gemacht wurden, Inhalte zu gliedern. Webseiten könnten „schon immer“ durchgängig inklusiv gestaltet werden. Wurde es gemacht: nein. Nutzen wir es jetzt: teilweise. Genauso wie Alt-Texte die auf den Sozialen Medien oft einfach übersehen werden.

Es ist also notwendig, bewährte Standards zu inklusivem Design mit den Möglichkeiten von AI und High-Tech zu verbinden, um eine fortschrittliche digitale Welt für alle zu gestalten.

„Unsere Zielgruppe ist nicht behindert.“

Dieser Satz unterschätzt die Diversität und Dynamik unserer Gesellschaft. Jeder Mensch kann temporär oder dauerhaft Einschränkungen erleben. Aber nicht nur das.

„Behindert“ wird in diesem Zusammenhang auch oft mit dumm verwechselt. Besonders dann, wenn sich Menschen mit Behinderung sprachlich nicht besonders gut ausdrücken können. Ich finde die Aussage „unsere Zielgruppe ist nicht behindert“, immer wieder äußerst bestürzend.

Und wer sagt denn, dass ein Mensch mit Behinderung nicht auch mehr über dein Angebot erfahren möchte, obwohl er es selbst nicht in Anspruch nimmt? Oder hast du noch nie etwas für jemand anderen recherchiert oder gekauft? Design muss für alle da sein!



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„Blinden Menschen ist Design ohnehin egal.“

Ein großer Irrtum! Taktiles Design, Klanglandschaften und Sprachnavigation sind nur einige Beispiele, wie Design für blinde Menschen relevant und ansprechend sein kann.

Außerdem beginnt Design nicht erst bei visuellen Elementen, sondern schon weit davor.

Interessantes Detail am Rande: Ich habe mich mit blinden Menschen auch schon über Farben unterhalten. 😉

„Eingeschränktes Sehvermögen? Zu kleine Links? Ein bisschen Zoomen und alles ist gelöst.“

Oder man soll doch einfach die Lupe nehmen. Sorry, nein: Barrierefreiheit bedeutet nicht, dass man die Verantwortung auf die Nutzer:innen abwälzt.

Vor allem beim Zoomen passiert es immer wieder, dass die digitale Anwendung dann über die Ränder hinausgeht. Dann heißt es hin- und herscrollen, und irgendwann wird dann ganz der Faden verloren.

Lesbarkeit und Zugänglichkeit von Anfang an zu integrieren, ist der Schlüssel und einfacher als oft gedacht.

„Barrierefreiheit ist nur etwas für Behördenwebseiten.“

Falsch! Jede Website, jede App, jedes digitale Produkt profitiert von barrierefreiem Design – es erweitert die Reichweite und verbessert die Nutzererfahrung für alle. Außerdem gibt es schon diverse gesetzliche Bestimmungen dazu, vor allem in Österreich.

2025 wird es mit dem European Accessibility Act (EAA) EU-weite Vorgaben geben, ähnlich wie bei der DSGVO.

„Flimmernde Grafiken und bewegte Texte? Sehen doch cool aus.“

Ja, sind sie. Aber sie können auch Probleme wie Sehüberlastung oder epileptische Anfälle verursachen. Aber auch viele Menschen ohne Einschränkungen lieben Einfachheit und Klarheit.

Du brauchst deswegen aber nicht auf bewegte Bilder und Texte verzichten. Es hilft zum Beispiel, wenn du Videos und Animationen nicht automatisch starten lässt, und wenn du eine textuelle Alternative anbietest.

„Das ist doch wieder nur eine weitere Schikane.“

Ich habe diesen Satz leider viel oft gehört, als ich vor einigen Jahren einige Kund:innen dazu motivieren wollte, ihre Webseite barrierefrei zu gestalten.

Barrierefreiheit ist keine Schikane, sondern eine Chance, innovative und inklusive Lösungen zu entwickeln, die allen zugutekommen. Und vor allem in der digitalen Welt ist es wirklich wesentlich einfacher und schneller umzusetzen als im Gebäudebau. 😉

Fazit

Ich bin davon überzeugt, dass Design mehr ist als nur Ästhetik. Es ist ein Mittel, um jeder/jedem das Gefühl zu geben, gesehen und verstanden zu werden.

Lasst uns Design so einsetzen, dass es Barrieren abbaut und echte Verbindungen schafft. 🩷