Fragen und Antworten zu barrierefreiem Webdesign für Unternehmen

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Marion Lindert

Stand: 17. April 2025

Disclaimer: Ich bin keine Juristin und darf daher keine Rechtsberatung anbieten. Die folgenden Fragen und Antworten spiegeln meinen aktuellen Wissensstand zur österreichischen Rechtslage im Zusammenhang mit dem Barrierefreiheitsgesetz wider. Mitte April 2025 ist allerdings noch vieles unklar – selbst vom zuständigen Ministerium oder von den Wirtschaftskammern gibt es in einigen Bereichen noch keine endgültigen Aussagen. Ich hoffe dennoch, dass dieser Beitrag Unternehmen hilft, sich besser zu orientieren und erste Fragen zu klären.

Gültigkeitsbereich

Wer muss seine Website barrierefrei gestalten?

  • wenn das Unternehmen mindestens 10 Mitarbeitende oder wenn es einen Umsatz bzw. eine Bilanzsumme von 2 Mio. Euro und mehr hat, und
  • wenn über die Website verbindliche Geschäfte (also Verträge) mit Verbrauchern abgewickelt werden

Was bedeutet „verbindliche Geschäfte“?

Das ist noch unklar. Insbesondere bleibt offen, ob bereits die bloße Anbahnung eines Geschäfts darunter fällt oder ob eine weitergehende Verbindlichkeit erforderlich ist. So ist beispielsweise noch nicht geregelt, ob bereits das Vorhandensein eines einfachen Kontaktformulars dazu führt, dass diese Site barrierefrei sein muss. Klar ist hingegen, dass Online-Shops, verbindliche Buchungen und ähnliche Angebote zwingend barrierefrei gestaltet sein müssen.

Ab wann müssen diese Seiten barrierefrei sein?

Ab 28. Juni 2025. Es gibt keine Übergangsfrist für Shops oä.

Müssen Websites, die ausschließlich im B2B-Bereich angesiedelt sind (zum Beispiel die Website eines Industriezulieferers), barrierefrei sein?

Das kommt darauf an. Der European Accessibility Act (EAA) richtet sich grundsätzlich an Angebote, die für Verbraucher:innen bestimmt sind. Reine B2B-Websites, die ausschließlich Geschäftskund:innen ansprechen und keine Produkte oder Dienstleistungen für Privatpersonen anbieten, fallen grundsätzlich nicht unter die Verpflichtung zur Barrierefreiheit.

Aber Achtung: Sobald auch nur teilweise Angebote für Verbraucher:innen enthalten sind, zum Beispiel ein öffentlicher Downloadbereich, ein Produktkatalog oder eine allgemeine Kontaktaufnahme möglich ist, kommt es darauf an, wie die Regelungen ausgelegt werden (siehe oben).

Außerdem kann es sein, dass Unternehmen durch andere Regelungen trotzdem zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, etwa wenn sie mit öffentlichen Stellen zusammenarbeiten oder bestimmte Förderungen erhalten.

Wenn ich ein Kleinstunternehmen bin und Produkte online verkaufe, muss ich das Barrierefreiheitsgesetz dann trotzdem erfüllen?

Nein, Kleinstunternehmen bis 10 Mitarbeitenden und 2 Millionen Euro Umsatz sind nicht verpflichtet.

Gibt es weitere Folgen, wenn eine Website nicht barrierefrei ist?

Für mich ist offen, welche rechtlichen Folgen eintreten, wenn eine Website die Anforderungen nicht erfüllt. Was passiert also, wenn jemand etwas trotz Vertrag nicht bezahlt oder wenn jemand nicht zum Termin erscheint. Kann man sich dann darauf ausreden, dass die Website nicht barrierefrei ist?

Wird gleich gestraft werden?

Meines Wissens nach verfolgt das Gesetz in erster Linie das Ziel, Barrierefreiheit nachhaltig in Unternehmen zu verankern. Ähnlich wie bei der DSGVO oder bei Richtlinien zur Cybersicherheit wurde damit erstmals ein verbindlicher Rahmen geschaffen, um klare Regeln im digitalen Raum zu etablieren, damit nicht länger jede*r nach Belieben handeln kann.

Ich sehe das ganz pragmatisch: Auch bei physischen Produkten oder in anderen Geschäftsbereichen gelten längst strenge Vorgaben, etwa zur Verwendung von Chemikalien, zur CE-Kennzeichnung aber auch zur physischen Sicherheit am Arbeitsplatz. Das ist in großen Bereichen sinnvoll und schützt alle Beteiligten. Für digitale Angebote gab es solche verpflichtenden Standards bisher kaum. Der EAA aber auch weitere Cybersicherheitsgesetze sind daher ein wichtiger Schritt, um auch im digitalen Raum Verlässlichkeit, Sicherheit und Fairness zu schaffen.

Und zurück zur Strafe: soviel ich verstanden habe, wird es zuerst mal ein Ermittlungsverfahren geben aber auch Schreiben von der Behörde, die einem mitteilen, bis wann man Zeit hat, die Vorgaben zu erfüllen. Zumindest in Österreich sollte sich wahrscheinlich niemand fürchten müssen, gleich Anfang Juli Verwaltungsstrafen zu erhalten.

Was muss alles barrierefrei sein?

Welche Teile müssen barrierefrei gestaltet werden?

Zumindest dieser Bereich über den die Geschäfte getätigt werden können und der Weg zu diesem Bereich.

Warum ist soviel unklar?

Es gibt enormen Interpretationsspielraum. Außerdem sind bei der Abstimmung der Regelungen viele Leute beteiligt, im Ministerium aber auch auf EU-Ebene. Weitere Details werden später die Gerichte entscheiden müssen.

Was ist, wenn der Kaufvorgang über eine externe Plattform erfolgt?

Essensbestellungen, Zahlungsprozesse für Online-Produkte und ähnliche Vorgänge werden oft an externe Anbieter ausgelagert. Wer jedoch dafür verantwortlich ist, dass der Verkauf eigener Produkte über eine barrierefreie Website erfolgt, ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise wird entscheidend sein, mit wem das Vertragsverhältnis besteht. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Plattformen und deren individueller Gestaltungsmöglichkeiten bin ich schon sehr neugierig darauf, wie diese Frage in der Praxis gelöst werden wird.

Was ist, wenn der Shop auf einem Server außerhalb der EU liegt?

Dann muss er dennoch barrierefrei gestaltet werden. Es ist nicht relevant wo er liegt, sondern ob ich zum Beispiel von Österreich aus einkaufen kann.

Die Website umzustellen ist sehr aufwändig, muss ich das wirklich machen?

Auch das wird, soviel ich verstanden habe, individuell zu entscheiden sein. Es gibt die Möglichkeit mit Unverhältnismäßigkeit bzw. außergewöhnlicher Belastung zu argumentieren. Dies sollte man aber gut belegen und argumentieren können. Außerdem muss sich die außergewöhnliche Belastung nicht auf die gesamte Anwendung beziehen, sondern auch auf Teile oder bis zu einer gewissen Frist.

Die Website ist veraltet, muss ich eine neue machen?

Das wird im Einzelfall zu prüfen sein. Aber die Möglichkeit der Unverhältnismäßigkeit bzw. außergewöhnlichen Belastungen geltend zu machen, gibt es auch hier.

Müssen auch PDFs barrierefrei werden?

Wenn sie in den Anwendungsbereich hineinfallen, ja.

Muss ein PDF barrierefrei sein, wenn die enthaltenen Informationen bereits auf der Website barrierefrei zugänglich sind?

Wenn es eine barrierefreie Alternative gibt, braucht die ursprüngliche Datei nicht barrierefrei sein. Aber es kommt immer auf den Anwendungsfall darauf an und die barrierefreie Version muss zumindest so einfach erreichbar sein wie das PDF.

Vorgaben für Barrierefreiheit

Gibt es eine klare Checkliste, welche Punkte für Barrierefreiheit erfüllt sein müssen?

Ja, die gibt es – und zwar in der Norm EN 301 549, die sich wiederum stark auf die WCAG 2.1 bzw. 2.2 stützt. Diese Richtlinien beschreiben ganz genau, was eine barrierefreie Website oder App können muss – zum Beispiel, dass Inhalte mit der Tastatur bedienbar sind, dass es genug Kontrast gibt oder dass Bilder Alternativtexte haben.

EAA vs. EN 301 549 vs. WCAG

Der EAA (European Accessibility Act) ist das EU-weite Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit. Er verpflichtet bestimmte Produkte und Dienstleistungen (zum Beispiel Websites, Apps, E-Books, Bankterminals, Self-Checkout-Kassen usw.) barrierefrei zu sein. Die Umsetzung erfolgt aktuell in den Mitgliedstaaten.

Die europäische Norm EN 301 549 legt die technischen Anforderungen fest, wie Barrierefreiheit bei digitalen Produkten und Dienstleistungen erreicht werden soll. Sie ist der Maßstab, auf den sich der EAA bezieht. Die EN verweist für Websites und Apps unter anderem auf die WCAG 2.1 (bzw. künftig wahrscheinlich 2.2).

Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind internationale Standards, die erklären, wie Web-Inhalte barrierefrei gestaltet werden können. Diese internationalen Richtlinien legen fest, wie digitale Inhalte barrierefrei gestaltet sein müssen, zum Beispiel durch ausreichend Kontraste, Tastaturbedienung, klare Navigation oder Alternativtexte für Bilder.

WCAG 2.1 oder WCAG 2.2?

Es gibt immer wieder Rätselraten, welche WCAG nun gültig sind. Die EN 301 549 verweist derzeit noch auf die WCAG 2.1., die aktuellen Richtlinien sind jedoch die WCAG 2.2 und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis diese auch gemäß EN 301 549 verbindlich sein wird.

Welche Kriterien muss eine Website erfüllen, um als barrierefrei zu gelten?

Die Kriterien sind in der EN 301 549 bzw. in den WCAG beschrieben.

Was bedeutet Barrierefreiheit? Gibt es Vorgaben für Layout, Design, Schriftgrößen und Co.?

Ja, die gibt es. Diese Vorgaben sind in der EN 301 549 bzw. WCAG beschrieben.

Wer entscheidet welche Schriftgröße oder welcher Kontrast zum Beispiel als barrierefrei gilt?

Auch dies ist in den WCAG definiert.

Die WCAG sind so kompliziert, geht das nicht einfacher?

Die kurze Antwort: Ja und nein. Tatsächlich ist HTML in seiner Grundform bereits barrierefrei – zumindest dann, wenn es korrekt und sinnvoll verwendet wird. Eine saubere Überschriftenstruktur, sinnvolle Links und klare Formularelemente sorgen oft schon für eine gute Basis. Für einfache Inhalte braucht es keine komplizierten Regeln.

Aber das Internet ist längst nicht mehr einfach. Viele Websites sind heute komplexe Anwendungen mit interaktiven Elementen, Animationen, dynamischen Inhalten, verschiedenen Geräten und Eingabemethoden. Und genau da wird es komplizierter.

Die WCAG wurden nicht aus Spaß so umfangreich formuliert. Sie sind das Ergebnis jahrelanger Arbeit von Expert:innen, die sich intensiv mit digitalen Barrieren beschäftigt haben, Menschen mit und ohne Behinderung, Entwickler:innen, Designer:innen und Forscher:innen. Ziel war es, möglichst viele verschiedene Nutzungsszenarien abzudecken, damit das Web wirklich für alle zugänglich wird.

Barrierefreiheit lässt sich nicht auf eine einfache Checkliste reduzieren. Aber wer die Grundlagen versteht und von Anfang an mitdenkt, wird feststellen: Ganz so kompliziert muss es gar nicht sein.

Check auf Barrierefreiheit

Welches „Level“ sollte man am besten hinsichtlich der WCAG 2.2. erreichen? Sollte man sich auf das Level AA fokussieren oder reicht schon Level A?

Level A genügt nicht. Um als barrierefrei zu gelten, braucht es Level AA.

Aber: Diese Listen sind sehr technisch und für Laien oft schwer verständlich. Wer sich damit auseinandersetzen will, braucht zumindest ein Grundverständnis von HTML, CSS und dem Aufbau von Webseiten – oder die Unterstützung von jemandem, der sich damit auskennt. Ganz ohne technisches Wissen wird’s leider schwierig, wirklich beurteilen zu können, was umgesetzt werden muss.

Gibt es Tools, mit denen man automatisiert auf Barrierefreiheit testen kann?

Es gibt Tools, die einen unterstützen. Leider können diese aber nur technische Bereiche prüfen und auch darin sind sie fehlerhaft. Folgendes können dieses Tools jedoch nicht: Herausfinden, ob der technische Aufbau überhaupt mit den Inhalten zusammenstimmt. Und sie können nicht alle Tests durchführen, zum Beispiel können sie nicht richtig sagen, wie sich die Seite bei Vergrößerung oder Skalierung verhält, ob die Tastaturbedienung logisch und korrekt ist, ob der Linktext auch wirklich zum Link passt, ob die Überschriftenstruktur Sinn macht usw.

Die Barrierefreiheit einer Website kann man mit diversen Online-Tools messen. Kann ich mich auf diese Kennzahlen stützen?

Leider nur teilweise. Das funktioniert genauso wenig wie das automatisierte Prüfen. Diese Tools sind praktisch, können aber falsche Antworten liefern in dem sie einerseits Fehler nicht finden und andererseits technisch korrekten aber inhaltlich falschen Code als korrekt interpretieren. Außerdem gibt es auch bei den WCAG Interpretationsspielraum und viele Wege, wie man zu einer Lösung kommt.

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