Seien wir uns mal ehrlich: Das Wort „Barrierefreiheit“ ist ziemlich unsexy. Zuerst kommt im Wort die Barriere – und wer will die schon? – und dann die Freiheit, die irgendwie abstrakt wirkt.
Auch dahergeworfene Begriffe wie Zugang für alle, Inklusion oder Teilhabe klingen oft wie eine Drohung oder eine Verpflichtung, bei der man etwas geben muss ohne etwas zurückzubekommen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.
Barrierefrei ist ein Wort, dessen Bedeutung viel weitreichender ist, als es auf den ersten Blick scheint. Und viele Menschen verstehen darunter etwas anderes. Hier braucht es noch viel Aufklärung und ich möchte einen Teil dazu beitragen.
Barrierefreiheit ist Freiheit
Manche setzen „barrierefrei“ gleich mit „blindengerecht“, aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Wenn ich für jemanden entwerfe, der blind ist, sorge ich dafür, dass Inhalte mit Screenreadern funktionieren. Wenn jemand die Maus nicht nutzen kann, ermögliche ich eine vollständige Tastaturbedienung. Und wenn jemand unterwegs ist, optimiere ich für mobile Geräte, weil das einfach eine andere Art der Nutzung ist.
Barrierefreiheit heißt, flexibel auf unterschiedliche Geräte, Umgebungen und Situationen zu reagieren. Sie ist keine Sonderlösung für wenige, sondern sollte ein selbstverständlicher Bestandteil unserer digitalen Welt sein. So kann jede:r eigenständig und ohne fremde Hilfe, wann immer er/sie möchte, im Internet tätig sein.
Wie wichtig diese verschiedenen Möglichkeiten sind, zeigt sich immer dann, wenn wir plötzlich auf funktionierendes Design angewiesen sind – besonders in Momenten, in denen das Leben nicht so verläuft, wie wir das geplant haben.
Miteinander verbunden sein, weltweit
Das Internet ist eine geniale Erfindung, oder? Wir können mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt treten, einkaufen, Behördengänge erledigen, Spiele spielen, unser Zuhause steuern, unsere Fitness im Blick behalten, lernen oder Fotos, Videos und Nachrichten austauschen. Wir können hören, sehen, lesen, tippen, sprechen – und das oft nur mit einem kleinen Gerät wie einem Smartphone, plus einer Internetverbindung und etwas Übung.
Damit all das reibungslos funktioniert, braucht es einheitliche Protokolle und Standards. Ein Beispiel ist https: Es sorgt dafür, dass eine Webseite sicher und unverändert vom Server zu deinem Browser übertragen wird. Browser und Server wissen genau, welche Daten ausgetauscht werden müssen, egal, wo die Website liegt, egal mit welchem Gerät sie abgefragt wird und egal wo sich dieses Gerät befindet.
Für uns Menschen gilt ein ähnliches Prinzip: Digitale Barrierefreiheit stellt sicher, dass alle die gleichen Inhalte erreichen können, auch wenn sie unterschiedliche Wege dafür brauchen. Wer nicht sehen kann, bekommt Informationen über einen Screenreader. Wer nicht hören kann, liest Untertitel oder schaut Gebärdensprachvideos. Wer motorische Einschränkungen hat, nutzt die Tastatur oder eine andere Zeigemöglichkeit statt einer herkömmlichen Maus.
Es geht nicht darum, alles gleich zu machen, sondern darum, allen den gleichen Zugang zu geben.
So wird das Internet nicht nur technisch verbunden, sondern auch menschlich offen. Ein Ort, an dem jede:r verstehen und verstanden werden kann und an dem niemand ausgeschlossen bleibt.
Es kann jede:n treffen
Solange man selbst nicht betroffen ist, scheint alles problemlos zu laufen: Der Browser startet, der Shop ist online, die Zahlung klappt und die bestellte Ware ist schon unterwegs. Doch manchmal genügt ein winziger Fehler, und alles kommt zum Stillstand, zum Beispiel wenn irgendwo zwischen dir und dem Server die Verbindung abreißt. Damit alles funktioniert, müssen viele Faktoren gleichzeitig passen.
Beim Menschen ist es nicht anders: Ein plötzlicher Hörsturz, eine Augenverletzung oder ein gebrochener Arm – vieles passiert ohne Vorwarnung und betrifft nur einen Teil des Körpers. Trotzdem haut es den Alltag ordentlich durcheinander. Mit einem Gipsarm kannst du zwar immer noch sehen, hören und denken, aber wahrscheinlich keine Jacke mit Knöpfen zumachen. Und Schwerhörigkeit hindert dich nicht daran, in die Berge zu gehen, du wirst aber wahrscheinlich die kleinen Vögel nicht hören.
Die meisten Behinderungen entstehen nicht bei der Geburt, sondern im Laufe des Lebens. Auch wenn du heute nicht betroffen bist, kann es morgen anders sein (was ich dir das natürlich nicht wünsche). Und egal, ob als Betroffene:r oder als Angehörige:r: Glaub mir, in dieser Situation hast du ganz andere Sorgen, als dich auch noch durch technische oder gestalterische Hürden kämpfen zu müssen.
Darum ist digitale Barrierefreiheit keine Sonderlösung für wenige, sondern eine Absicherung für alle. Sie hält den Zugang zu Informationen, Diensten und Kommunikation offen und damit zu einem großen Teil unseres Alltags.
Einkaufen, Behördengänge, Bankgeschäfte, Lernen, soziale Kontakte ohne digitalen Zugang geht vieles heute viel umständlicher. Und das gilt nicht nur für „andere“, sondern auch für dich selbst oder deine Angehörigen.
Wer Barrierefreiheit umsetzt, sorgt dafür, dass digitaler Zugang nicht vom Zufall abhängt, sondern verlässlich möglich ist. Daher ist es mir wichtig, dass möglichst viele Menschen verstehen, was digitale Barrierefreiheit ist.
Besseres Design für alle
Gutes Design ist nicht nur schön anzusehen sondern es funktioniert und macht das Leben leichter. Und zwar für alle Menschen, nicht nur für eine kleine Gruppe unter idealen Bedingungen. Der in Wien geborene Designer Victor Papanek schrieb schon in den 1970ern, dass Design für die echte Welt gemacht sein muss und er meinte damit Design, das wirklich hilft.
Die echte Welt ist chaotisch, unvorhersehbar, voller Unterschiede. Menschen haben verschiedene Fähigkeiten, arbeiten in unterschiedlichen Umgebungen, nutzen verschiedene Geräte, verwenden unterschiedliche Programme und manchmal ändert sich das auch noch von einem Tag auf den anderen.
Papanek war überzeugt: Design trägt Verantwortung. Wer gestaltet, hat Einfluss darauf, ob Menschen teilhaben können oder ausgeschlossen werden. Für ihn bedeutete gutes Design, die tatsächlichen Bedürfnisse aller Menschen zu berücksichtigen und nicht nur die Wünsche einer idealisierten Zielgruppe. Mit dieser klaren Haltung war er nicht überall beliebt. Viele in der Designwelt wollten lieber glänzende Produkte für die perfekte Show entwerfen, statt sich mit den Herausforderungen des Alltags zu befassen.
Das ist nun etwa 50 Jahre her und dennoch wirken viele seiner Gedanken erschreckend aktuell. Noch immer gibt es Produkte und digitale Angebote, die vor allem unter idealen Bedingungen funktionieren, während Menschen in weniger perfekten Situationen außen vor bleiben.
Besseres Design heißt daher: Produkte, Dienste und digitale Inhalte so zu gestalten, dass sie auch unter weniger perfekten Bedingungen nutzbar sind. Klare Strukturen, verständliche Sprache, kontrastreiche Farben, einfache Bedienung, all das hilft nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern allen.
Barrierefreies Design ist damit kein Sonderfall, sondern einfach gutes, verantwortungsbewusstes Design.
Barrierefreiheit als Selbstverständnis
Digitale Barrierefreiheit scheitert oft am fehlenden Verständnis dafür, was sie wirklich bedeutet.
Ich weiß, wie wohltuend es ist, wenn man mit dröhnendem Kopf trotzdem noch in großer, ruhiger Schrift einen Text lesen kann, ohne dass dieser abgeschnitten wird oder irgendwie lustig herumblinkt. In solchen Momenten, wenn Hören oder Videos einfach nicht möglich sind, ist jedes klar lesbare Wort ein kleines Stück Erleichterung und Ablenkung für mich.
Mit meiner Arbeit möchte ich mitwirken, dass digitale Barrierefreiheit selbstverständlich wird. Und zwar als fester Bestandteil von gutem Design und als Grundlage dafür, dass alle Menschen gleichermaßen am digitalen Leben teilhaben können.
Wenn du möchtest, dass auch dein digitales Angebot wirklich alle erreicht, lass uns darüber sprechen. Gemeinsam finden wir Lösungen, die schön gestaltet sind, technisch einwandfrei funktionieren und allen den gleichen Zugang ermöglichen.